vergessene pfade

Unter "vergessenen Pfaden" verstehe ich alte, meist unmarkierte und schwer zu findende Wege und Steige im Gebirge, die nicht Teil des offiziellen und regelmäßig instand gehaltenen Wanderwegenetzes sind. Dabei handelt es sich oft um ehemalige Almwege und Jagdsteige, die heute nicht mehr zu diesem Zweck verwendet werden und daher zunehmend verwachsen. Werden diese Pfade nicht regelmäßig begangen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie unkenntlich werden und irgendwann ganz verschwinden.

 

Wer genauer hinsieht, entdeckt, dass von den "vergessenen Pfaden" eine große Faszination ausgeht, dass sie aber auch Konfliktpotenzial bergen. Faszination, weil es spannend ist, fernab des Trubels alten Routen nachzuspüren, die ursprünglich geblieben und nicht vom Massentourismus erfasst worden sind. Konfliktpotenzial aber auch, weil gerade in dieser Faszination die Gefahr liegt, dass diese Wege, wenn sie zu stark beworben werden, möglicherweise doch an den Tourismus "verloren gehen" könnten. Einheimische, Förster, Almbauern und Jäger kennen und schätzen ihre versteckten Pfade und möchten diese gern für sich behalten. Umweltschützer fürchten, dass mit der Begehung der alten Wege bedrohte Tiere gestört werden.

Dieser Nutzungskonflikt lässt sich nie ganz auflösen. Meine Überzeugung ist aber: Die alten Pfade und Steige im Gebirge sind nicht einfach nur Wege, sondern sie sind Kulturgut, Zeugnisse des menschlichen Wirtschaftens und Unterwegsseins am Berg. Als Kulturgut sind sie schützenswert, daher sollten sie nicht dem Verfall preisgegeben, sondern durch regelmäßige, aber moderate Begehung erhalten werden. Sie sind aber nicht nur Kulturgut, sondern auch Gemeingut. Denn jeder hat das – übrigens auch von der Bayerischen Verfassung (Artikel 141) und vom Bayerischen Naturschutzgesetz (Artikel 27) garantierte – Recht, sie zu begehen. Was eine mögliche Umweltschutzproblematik betrifft, glaube ich, dass das sommerliche Wandern (anders als etwa das Pistenskifahren oder das Mountainbiken) die naturverträglichste Form der Fortbewegung schlechthin ist und prinzipiell eher gefördert als beschränkt werden sollte. Klar ist auch: In besonders sensiblen und streng geschützten Bereichen ist mit besonderer Vorsicht vorzugehen und eine gewissenhafte Abwägung zwischen den beteiligten Interessen (freies Betretungsrecht, touristischer Reiz, journalistische Freiheit, Naturschutz ...) erforderlich.

 

Wichtig ist dabei, dass die alten Wege weder ausgebaut noch verbreitert oder ausgeschildert werden. Sie sollten so bleiben, wie sie sind. Das bedeutet, dass man bei der Begehung eben nicht einfach nur dem breiten Weg oder den Schildern folgen kann, sondern selbstständig die oftmals verborgene und verwachsene Route finden muss. Damit sind sehr viele Wanderer überfordert, wodurch sich das befürchtete Problem der Überlastung solcher Wege oft von selbst erledigt. Aus demselben Grund stelle ich für die in meinen Büchern beschriebenen Routen auch keine GPS-Tracks zur Verfügung. Die Begehung soll nicht zu leicht gemacht werden, sondern eine gewisse Herausforderung bleiben.

 

Wer mehr über das Thema erfahren will, kann meinen Artikel "Vergessene Pfade im Rampenlicht", erschienen in "alpinwelt", Heft 1/2013, lesen.